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D911 - Kapitel 2



Der große Raum auf der anderen Seite der Tür war eingerichtet wie die meisten Orte, an denen es um Leben und Tod ging. Mit weißen Möbeln, null Deko, keinerlei Stolperfallen, dafür aber mit übertrieben breitem Mittelgang. An vier halbherzig voneinander abgetrennten Arbeitsplätzen saßen vier breit gebaute Damen mittleren Alters. Drei davon erhoben sich, als Galdra hinter der Chefin ihr Reich betrat. Die vierte quakte weiter Standardfragen in das Mikrofon ihres Headsets und tippte mit. »Meine Damen«, begann seine brandneue Chefin halblaut, »wir haben soeben einen neuen Retter für unser Team gewonnen. Mister Galdra wird mit Sicherheit eine großartige Hilfe für Bum-Bum und Murmel sein! A propos, sind die beiden unterwegs?« »Ja«, berichtete die eine. Sie hatte feuchte, froschgrüne Haut. Passend für die sonstige Körperstatur einer aufrecht gehenden Kröte. »Murmel ist in Mexiko unterwegs und Bum-Bum hilft gerade in Thailand beim Rückbau eines Schreins.« Die beiden anderen Telefonistinnen kicherten unterdrückt. Sie waren entweder Zwillinge oder eine der beiden Frauen mit dem üppigen Haarschmuck aus Weizen und Blüten war eine Spiegelung. Kinderspiel für einen Erntegeist. Da nun auch die vierte Frau ihr Telefonat beendet hatte, kam sie heran, setzte sich auf eine Tischkante und verschränkte die Arme vor ihren fünf schlecht verpackten Brüsten. Es fehlte nicht mehr viel, und sie würden das Oberteil in Fetzen reißen. Hoffentlich war er dann schon wieder unterwegs. »Was sind’n Sie?«, fragte sie kaugummikauend. »Assimilationsdämon«, antwortete Galdra gelassen. Die Hände ließ er natürlich in den Hosentaschen. Er musste ja nicht gleich bei der Vorstellungsrunde mit der Tür ins Haus fallen. »Sehr erfreut.« »Ach, wie nett«, säuselte der eine Weizenkronen-Zwilling. »Endlich mal was Normales!« Galdra wagte einen winzigen Blick zur Chefin, Die lächelte bittersüß. »Äh, ja. Mister Galdra, darf ich vorstellen? Das sind Helene und ihre Schwester Ninni, ehemalige Erntegeister. Frau Sapo ist unsere gute, grünhäutige Tümpelfee und Misses Plentiful hat früher ein Kinderheim geleitet. Mister Galdra, vielleicht erzählen Sie auch ein bisschen von sich?« »Mein Name ist Jalp Galdra. Mein Vater ist Assimilationsdämon und war früher Profisportler. Meine Mutter ist Banshee. Ich komme als Quereinsteiger aus dem Bereich Rechtsprechung. Und damit ist eigentlich auch schon alles gesagt.« Er richtete den Blick auf Misses Plentiful und zwang sich, mit den Augen auch wirklich auf ihrem Gesicht zu bleiben. »Sagen Sie, was war das eben für ein Anruf? Es wirkte gar nicht so dringend?« Die wandelnde Milchbar löste – Baal sei’s gedankt – die Arme von ihrem Brustkorb und stellte sich gerade hin. Allerdings blickte sie zur Chefin. Ihm fiel auf, dass er sich daran noch gewöhnen musste. »Nichts Tragisches, hab’s gleich an Murmel weitergegeben. Ein Vampir steckt in Südafrika in einem Weinkeller fest. Der Depp hat sich einsperren lassen und gerade ist in der Zeitzone die Sonne aufgegangen. Jetzt ist sein Energieniveau am A... Hat mir natürlich erstmal das Ohr abgekaut. Wie die Fritzen halt so sind.« Die Ernte-Zwillinge kicherten wieder. Im Chor sagten sie: »Ach, liebe, gute Frau ... wenn es Ihnen keine Umstände macht ... also ... ich habe mich da in eine verzwickte Situation gebracht!« Alle bis auf ihn gackerten los, und auch er gönnte sich ein Grinsen. Als alle sich halbwegs wieder eingekriegt hatten, wagte er den Vorstoß: »Darf ich den Fall übernehmen? Oder soll ich mit einem der Kollegen erst einmal mitgehen?« »Och, lassen Sie ihn doch, Chef«, sagte Mrs. Sapo, die Krötenfrau. »Wegrennen wird der Vampir ja wohl kaum.« »Tja, sicherlich haben Sie die Arbeit der Ersthelfer oft miterlebt bei Ihrer Arbeit«, überlegte die Chefin laut. Sie könnten sich ja dort dem Kollegen anschließen, sobald ich Sie ordentlich ausgerüstet habe. Helen, gib Murmel doch bitte bescheid, dass er sich in Südafrika noch etwas die Zeit vertreiben und auf Galdra warten soll.« »Mache ich!«, flötete Helen. Sie winkte Galdra zu. »Tschüss, Mister Galdra. Willkommen bei demon’s 911!« »Vielen Dank«, nickte er freundlich. Er hatte sich schon mit der Geschäftsführerin zur Tür gewandt, als Mrs. Plentiful rief: »Meinen Kindern habe ich immer gesagt, dass es höflich ist, zurück zu winken!« Galdra pausierte. Dann wandte er sich in Zeitlupe um, zog beide Hände grinsend aus den Hosentaschen und hob die Lederhandschuhe neben sein Gesicht. Er knickte die vorderen Fingerglieder ab zum Winken und sah Mrs. Plentiful direkt in die entsetzten Augen. Erst als er schon hinter der kopfschüttelnden Chefin durch die Tür getreten war, ging das Getuschel in der Dispo so richtig los. Okay, vielleicht war das eben eine arschige Aktion von ihm gewesen. Der Blick der Gorgone ließ das jedenfalls vermuten. Aber sie hatte es ja selbst gesagt: Lange hätte er sein Geheimnis sowieso nicht mehr für sich behalten können. Dann lieber kopfüber ins Abenteuer, wie sein Vater immer sagte.


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