Zusammen ist man weniger allein - ein Interview
Am 15.11, dem Vorabend der DreieichCon, durfte ich ganz spontan zwei Herren auf die Nerven fallen, die jeder deutsche Schreiberling in den fantastischen Genres kennen dürfte - Bernhard Hennen und Robert Corvus, den Schöpfern der Phileasson-Saga.
Schon zu meiner Zeit als Journalistin habe ich natürlich viele Interviews geführt - meist sogar bepackt mit Videokamera. Trotzdem hat mir selten ein Gespräch so viel Spaß gemacht wie dieses. Die Herren sind also nicht nur reich und schön, sondern auch noch wahnsinnig nett und bodenständig. ;) Kein Wunder, dass drei Stunden inklusive Geschäftsessen wie im Flug vergingen!
Und jetzt viel Spaß beim Lesen!
Bernhard Hennen (im Bild rechts), Jahrgang 1966, hat zwei Kinder und lebt mit zweiter Ehefrau in Krefeld. Mit über 40 Romanen und Novellen ist er ein nicht mehr wegzudenkender Pfeiler der deutschen Fantasy-Szene. Gemeinsam mit Robert Corvus arbeitet er derzeit an der Vervollständigung der Phileasson-Saga, die als 12-teiliges Rollenspielabenteuer im System »Das schwarze Auge« begann.
Robert Corvus (im Bild links), Jahrgang 1972 ist studierter Wirtschaftsinformatiker und hat die niedersächsische Heimat gegen ein Single-Leben in Köln getauscht. Im Gemeinschaftswerk der Phileasson-Saga schreibt er aus der Sicht des heldenhaften Kapitäns Asleif Phileasson, genannt Foggwulf. Sein Gesamtwerk umfasst bereits jetzt über 30 Romane.
Tanja Ahrens (T.A.): »Robert, Bernhard, vielen Dank, dass ihr diesem Interview so kurzfristig zugestimmt habt. Ihr seid gerade erst in Dreieich angekommen, und wie jedes Jahr erwartet man euch hier sehnsüchtig. Was stand heute sonst auf eurem Terminkalender?«
Robert Corvus: »Bernhard hat mich mit dem Auto in Köln aufgesammelt und wir haben einen Zwischenstopp in Waldems gemacht. Dort sitzt Ulisses Spiele. Wir mussten nämlich jede Menge Buch-Pakete signieren für die Teilnehmer der Crowdfunding-Kampagne »Die Gestade des Gottwals«.
T.A.: »Die letzten Bände der Phileasson-Saga erschienen im März 2018, im November 2018 und im März 2019. Wenn man bedenkt, dass der dünnste Teil, das Schlangengrab, schon 624 Seiten hat, dann fragt man sich unweigerlich: Wie hält man dieses Pensum durch?«
Bernhard Hennen: »Zum Glück hat sich gezeigt, dass wir beim Schreiben mehr als doppelt so schnell werden, wenn wir zusammenarbeiten. Dass wir schon lange Vollzeit-Autoren sind, hilft natürlich auch. Und dass es die Saga in dem Sinne schon gibt, nämlich als Rollenspielabenteuer für ›Das Schwarze Auge‹. Außerdem hilft es mir natürlich, dass Robert seine Teile immer zuerst schreibt und mir dann schickt. Aufbauend zu arbeiten ist immer leichter.«
Corvus: *lacht* »Und dass ich ab und an anrufe und Stress mache, hilft auch.«
Hennen: »Ich gebe es ja gern zu, der junge Mann ist eindeutig disziplinierter als ich. Mir muss man auch mal zwei oder drei E-Mails schreiben, bis sich was bewegt. Aber dann bekomme ich ein schlechtes Gewissen und antworte endlich.« *grinst*
T.A.: »Wie genau teilt ihr euch die Arbeit auf? Ich stelle mir das sehr schwierig vor.«
Corvus: »Wir haben in der Saga den großen Vorteil, dass sie von zwei Schiffskapitänen im Wettstreit handelt. Da Bernhard sich schon so viele Jahre mit Asleif Phileasson beschäftigt, ließ er mir netterweise den Vortritt und beschreibt in allen Bänden, was sein Konkurrent erlebt – Beorn der Blender. Wenn wir uns dann zu einem Arbeitstreffen zusammensetzen, gehen wir Ungereimtheiten und Ähnliches durch.«
Hennen: »Bei diesen Treffen gibt es übrigens grundsätzlich Bananensaft!« *lacht*
Corvus: »So ist es, der Bananensaft muss sein.«
Hennen: »Im Großen und Ganzen ist es aber natürlich so, dass man als Autor – gerade kurz vor dem Abgabetermin – auch die Wochenenden und die Nächte durcharbeitet. Man ist eben selbstständig. Ein Konzept, dass nicht jeder im Bekannten- und Freundeskreis versteht, wenn es an die Wochenendplanung geht.«
T.A.: »Aber grundsätzlich macht Schreiben noch Spaß?«
Hennen: »Doch, klar.«
Corvus: »Nein.«
T.A.: »Wie bitte?«
Corvus: »Ich hasse jede einzelne Minute, die ich an der Erstfassung schreiben muss. Für mich tut Schreiben richtiggehend weh. Ich halte das aber durch, weil ich weiß, dass danach die erste Überarbeitung kommt – und die macht sehr viel Spaß! Der Text gehört dann nur mir. Ich bin noch niemandem Rechenschaft schuldig.«
Hennen: »Ich bemühe mich, schon in der Erstfassung sehr nah an der Abgabefassung zu schreiben.«
T.A.: »Will heißen, du bist Perfektionist.«
Hennen: »Ja, ich bemühe mich. Manchmal kann ich mich sehr lange an der Frage ›Wie schreibe ich es schön?‹ aufhalten.«
Corvus: *lacht* »Aber je näher der Abgabetermin rückt, desto weniger ist von diesem anfänglichen Perfektionismus übrig.«
T.A.: »Also ist Schreiben ausschließlich eine Frage der Planung und der Disziplin für euch?«
Hennen: »Nein, der Schlüsselfaktor ist in meinen Augen Glück. Mir ist bewusst, dass ich viel Glück hatte im Leben. Wie ich zur Schriftstellerei gekommen bin, das war Glück. ›Die Elfen‹ zur richtigen Zeit geschrieben zu haben, das war letztlich auch Glück. Es ist einfach so.«
Corvus: »Ich sehe das auch so. Schreiben besteht aus drei Faktoren: Talent, harter Arbeit, und einem großen Haufen Glück! Wenn man sich vorstellt, bei der Verhandlung mit einem Verlag 100 Punkte erreichen zu können, dann ist einer davon ein gutes Manuskript. Neun werden erreicht durch das richtige Timing und 90 sind pures Glück.«
T.A.: »Also glaubt ihr nie, dass euer Leben eventuell so laufen sollte? Dass ihr Autoren sein solltet und nichts anderes?«
Hennen: »Ich glaube nur sehr verhalten an das Schicksal. Aber ich bin immer dafür, ihm eine Chance zu geben.«
Corvus: »Wenn die Verhandlungen mal abgeschlossen sind und die Idee verkauft ist, ist es Arbeit. Pure, simple Arbeit, die in einem gewissen Zeitrahmen abzuarbeiten ist. Per Definition übrigens Akkord-Arbeit.«
T.A.: »Das klingt ja grauenhaft!«
Corvus: »Aber es ist so! Im Gegensatz zum Angestellten bekommen wir ja nicht mehr Geld, je mehr Stunden wir investiert haben. Also bleibt auch wenig Zeit für überbordende Details, die lange Recherchen benötigen.«
Hennen: »Ich muss ihm da leider recht geben. Ich habe Germanistik, Geschichte und Archäologie studiert. Vor vielen Jahren habe ich mal einen ganzen Morgen lang in der archäologischen Bibliothek in Köln das korrekte Aussehen einer Münze aus dem Jahr 50 v. Chr in Ephesos recherchiert. Diese Münze wird im Buch nur in zwei Sätzen erwähnt, weil sie von einer Hand in die nächste wechselt. Das mache ich heute nicht mehr. Wenn nur einer von 10.000 Lesern erkennen könnte, dass es diese Münze gab – und der Rest eben nicht – dann lohnt der Aufwand nicht. Punkt.«
Corvus: »Mittlerweile könnte ich Anfängerautoren immer schütteln, wenn sie sagen, sie hätten sechs Monate für ein Buch recherchiert. Wenn es nicht gerade ein Sachbuch ist, was soll das dann?! Wie gesagt, weder Vorschuss noch Marge wachsen durch zu hohe Detailtreue. Wer Spaß daran hat, bitte schön. Dann soll derjenige aber auch nicht maulen, dass das Manuskript nicht fertig wird. Außerdem gibt es genug andere, triftige Gründe, warum ein Projekt feststecken kann.«
T.A.: »Wenn es in euren Manuskripten mal klemmt, was macht ihr dann?«
Beide: »Telefonieren.«
Corvus: »Selbstverständlich kommt man mal an den Punkt, wo man hinschmeißen möchte. Das ist doch völlig normal. Aber glücklicherweise kommen Bernhard und ich nie gleichzeitig an diesen Punkt. So können wir uns gegenseitig immer wieder aus unserem Tief herausziehen.«
T.A.: »Das ist doch ein wunderbares Schlusswort, Robert. Vielen vielen Dank, dass ihr euch Zeit genommen und mir ehrlich geantwortet habt – und selbstverständlich auch weiterhin viel Erfolg mit der Phileasson-Saga und euren übrigen Projekten!«